Hoffentlich letzte Gedanken zu Donald Trump

von Simon Gumprecht

 

 Eine Ewigkeit scheint es schon her zu sein, dass Trump aus seinem goldenen Palast via Rolltreppe zum gewöhnlichen Volke herabglitt, um zu verkünden, er werde der größten Nation der Welt zu alter Stärke zurück verhelfen. Obwohl seit dem viel passiert ist, neben Trumps rassistischen und sexistischen Ein- und Ausfällen vor allem der Generalskandal, der darin bestand, dass Trump tatsächlich gegen den Willen der Spitze seiner Partei die Vorwahl gewinnen konnte, kann ich mich sehr gut an diesen Moment erinnern. Denn ich war sofort von diesem orangenen Mann, der auf die Frage, was er mit seiner Tochter gemeinsam habe, antwortet: „Sex“, euphorisiert.

Hamburg Facades, Fotoreihe, Prothese #1, 2016.
Hamburg Facades, Fotoreihe, Prothese #1, 2016.

Alles an dieser Situation war so offenbar obszön, dass es auf einen Schlag alle meine anarchistischen anti-politischen Bedürfnisse bediente. Meine missgünstigsten Vorurteile gegen den Konservatismus erschienen materialisiert in einem Reality-TV-Star. Endlich, so war meine Hoffnung, war die Lächerlichkeit des politischen Kampf- und Schlachtgebrülls so eindeutig vorgeführt, dass es jedem peinlich werden müsste. Selbst der Republikanischen Partei, die vier Jahre lang JEDE Kritik am Präsidenten, egal wie falsch oder hässlich, zugelassen und sogar um sich versammelt, also an der Würde einer der ältesten demokratischen Institutionen der Welt hat teilhaben lassen, musste dies nun zu abstoßend werden. Sie müsste sich doch vor ihrem Spiegelbild endlich selbst erschrecken. Außerdem könnte doch der trump'sche Unsinn dazu führen, dass die technokratische Rationalität aus ihrer Erstarrung gezwungen würde, quasi durch eine Schocktherapie politischer Unverschämtheiten, die alle Konventionen politischer Rede ignoriert und es also notwendig macht sie zu überdenken. Zumal Sanders Utopismus Alternativen zu formulieren schien.

 

Jedenfalls war ich hoffnungsfroh erheitert bei dem Anblick des Donald auf seiner Bühne vor bezahltem Jubelvolk. Mit dem Vice-Gründer Gavin McInnes, der heute vor allem als professionelles Arschloch auf sich aufmerksam macht, gesprochen: „[Trump] is like a human bomb.“ (Was ist eigentlich bei einem Konservativen los, der sich aktiv daran beteiligt eine Bombe in den Regierungssitz zu bringen?)

 

Ich finde meine anfängliche Hoffnung mittlerweile selbst naiv. Aber ich hatte auch nie damit gerechnet, das Donald Trump die Vorwahlen tatsächlich gewinnen würde. Meine Hoffnungen ließen sich zusammenfassen als eine Stärkung des utopischen Denkens gegenüber der post-politischen Bedeutungslosigkeit. Nach dem Vorwahlsieg Trumps ist das Gegenteil eingetreten. Einige geben Clinton dafür die Schuld, die immer wieder den Blick auf Trumps pathologisches Verhältnis zu Frauen lenkte. Je nachdem für wie relevant man den Charakter des Kandidaten für die Bewerbung auf das Amt einschätzt, kann man darüber streiten, wie relevant Clintons Kritik an Trumps brachialem Sexismus für die Wahl sein sollte. Nicht darüber streiten kann man aber über die dumpfe Inhaltsleere von Trumps Rede. In diesem Wahlkampf hatte Trump nie die Chance sich an „Issues“ zu orientieren, da er überhaupt nicht in der Lage ist „Issues“ konsistent zu formulieren. Dieser Wahlkampf war nicht daher ein Spektakel, weil die „Clinton-Media-Machine“ Trump mit dem Schlamm seiner Vergangenheit bewarf, statt sich mit seiner politischen Position auseinanderzusetzen, sondern weil Trump zu politischen Debatten einfach nicht in der Lage ist.

 

Und mit dem Widerspruch Spektakel vs. Politik wären wir bei der Philosophie des Situationisten-Chefs Guy Debord angekommen. In seinem „Die Gesellschaft des Spektakels“ beschreibt Debord unsere Zeit als eine Zeit, in der sich die Bilder verselbständigt haben und die sozialen und politischen Realitäten verdecken: „Das Spektakel ist das Kapital in einem solchen Grad der Akkumulation, dass es zum Bild wird.“ Politische Akte werden restlos von der Sphäre des Virtuellen, Imaginären, des "`Spektakels"' aufgefangen, sodass authentische Interventionen in die soziale Wirklichkeit nicht mehr möglich sind. Die Entfremdung ist dann perfekt, wenn sie nicht mehr sichtbar ist, so der Tenor von Debords Argumentation. „Das ganze Leben der Gesellschaften, in welchen die modernen Produktionsbedingungen herrschen, erscheint als eine ungeheure Sammlung von Spektakeln. Alles, was unmittelbar erlebt wurde, ist in eine Vorstellung entwichen.“, lautet die erste These seines Werkes in offener Anlehnung an Marx paradigmatisch.

 

Die Allgegenwärtigkeit elektronischer Medien führen zu einer Konkurrenz um Aufmerksamkeit in der Ökonomie der Bilder. Die Produktion wird zur Repräsentation. Auch die Politik kann sich dieser Dynamik nicht entziehen und muss an ihr teilhaben. Politik wird so zu Entertainment, muss zu Entertainment werden. Wenn das Spektakel der Weg und das Ziel jeden Erfolges ist, warum sollte man nicht den Kandidaten wählen, der bei WWE in den Ring gestiegen ist? Warum die alte Langeweile der wirklichen Politik dem Sound des „Build a Wall!“ vorziehen, wenn Wirklichkeit gegenüber den Repräsentationen farbiger Bilder nichts mehr zählt?

 

Das Trump-Lager ist sich dieser Zusammenhänge durchaus bewusst, so begründet der „Breitbart“ Kolumnist und Posterboy der „Alright“ (also Rechtskonservative, die wissen, was das Internet ist) Milo Yiannopoulos gegenüber Dave Rubin seine Unterstützung für Trump gerade mit der völligen Abwesenheit politischen Verstandes in Trumps Redeweise: „There's is a cultural war. And there's only one candidate for president fighting this war culturally - and it's Trump. He doesn't care too much weather he is occasionally inconsistent an policy, because he understands that nobody else does either.“ Hier erreicht Trumps Argumentation vollständige Immunisierung: von nun an ist es egal, dass Trump in 70 Prozent seiner Aussagen lügt.

 

Kann man schon von einer Ästhetisierung des Politischen sprechen, die Walter Benjamin dem Faschismus attestiert hatte? Was ist der Zusammenhang von absoluter (Sinn-)Freiheit postpolitischer Polyphrasie und totalitärer Gewalt?

 

Man könnte behaupten, dass Trump sich als Schüler des nationalsozialistischen Staatstheoretikers Carl Schmitt zeigt. Nach Schmitt basiert jede politische Energie auf der Konstruktion eines Feindes. Durch die Figur des Feindes kann die eigene Identität des Volkes sichergestellt werden, weil sie die Distinktion von Innen und Außen ermöglicht. Der konkrete Inhalt der Feindfigur ist dabei egal, grundsätzlich kann jeder zum Feind werden, die Freund/Feind-Unterscheidung ist also willkürlich. Entscheidend ist bloß, dass es einen Feind gibt, der die Identität des Volkes garantiert und politische Akte motiviert: „Die Unterscheidung von Freund und Feind hat den Sinn, den äußersten Intensitätsgrad einer Verbindung oder Trennung, einer Assoziation oder Dissoziation zu bezeichnen.“

 

Wenn sich aber ein politischer Akteur nur durch einen Feind erst herstellt und sich seine notwendige Identität nur dem Konflikt mit diesem verdankt, dann wird es kein Argument mehr geben, dass in der Lage wäre den imaginären Charakter dieser Feindschaft zu entlarven. Ein solcher politischer Akteur ist überhaupt nicht mehr auf politisch-programmatische Ausrichtungen angewiesen, alles was er braucht ist diese Feindschaft. Man könnte also sagen, Carl Schmitts Politikkonzeption ist spektakulär - oder postfaktisch. Wenn nun Andrew Sullivan gegenüber Sam Harris beklagt, Donald Trump habe keine Vorstellung von „Win-Win-Situationen“, sagt er nichts anderes, als dass Trump von Carl Schmitt gelernt hat, ein Politiker zu sein.

 

Was ich anfangs der Vorwahlen für eine karnevaleske Repolitisierung des Wahlkampfes und des Staates hielt, hat sich als etwas entpuppt, was Slavoj Zizek „Ultra-Politik“ nennt: „die Bemühung den Konflikt zu entpolitisieren, indem man ihn in sein Extrem steigert, nämlich durch direkte Militarisierung der Politik, das heißt die Politik zu einem Krieg zwischen „Uns“ und „den Anderen“, unseren Feinden, umzuformulieren, wobei es dann keinen gemeinsamen Hintergrund für den symbolischen Konflikt mehr gibt“. Hier ist nicht mehr der Konflikt politisch, sondern das Politische ist der Konflikt. Und der Konflikt wird vorausgesetzt, als selbstbezügliches, sich selbst befruchtendes Spektakel. Gegenüber einem solchen Hauen und Stechen wünsche ich mir die versteinerten politischen Konventionen und Institutionen zurück.