Ode an das Preppen

von Art W. Groll

 

Die HBO-Serie The Last of Us (2023), über die aktuell überall diskutiert wird, kippt wieder einmal Öl ins Feuer der US-amerikanischen Prepper-Kultur. Passend zur Endzeitstimmung der Corona-Pandemie geht es darin um einen hochansteckenden Pilz, der die Menschen weltweit infiziert und den gesamten Globus von heute auf morgen in eine dystopische Horrorwelt verwandelt. Wie in dem Survival-Computerspiel, auf dem die Serie basiert, sind die einzigen Überlebenden ein paar Glückspilze und natürlich die, die es immer gewusst haben: Die Prepper. 

Frank und Bill in ‚The Last of Us'.
Frank und Bill in ‚The Last of Us'.

 Preppen, das ist die absolute Ekstase amerikanischer Unabhängigkeitsfantasien. Selbst wenn alles den Bach runtergeht: Der Luftschutzbunker bietet Verpflegung, Hygieneartikel und Waffen für die kommenden hundertfünfzig Jahre. Zwar 63 Jahre alt und Diabetes Typ 2 im Endstadium, aber für einen Atomkrieg und das nächste Supervirus bin ich bestens vorbereitet.

 

In der dritten Folge von The Last of Us aus der vergangenen Woche (Long, Long Time) geht es um den Vorzeige-Prepper Bill (Nick Offerman), der sich nach Ausbruch der Pilzpandemie eine Festung mit Zaun und Selbstschussanlage gebaut hat, die ihn vor den infizierten Pilzzombies schützt. Die Horrorserie nimmt in dieser Folge eine schöne Wendung: Bill begegnet am Rande seiner Sicherheitszone etwas, worauf er nicht vorbereitet ist: der eigenen Homosexualität in Form der Liebe seines Lebens (Frank, gespielt von Murray Bartlett).

Vielleicht ist es genau das, was das Preppen ausmacht: das vollkommen Unbekannte. Jenes, was außerhalb der Ordnung ist und worauf man sich trotz aller Mühen niemals vorbereiten kann. Es ist ein Spiel der Vorstellungskraft, sich das Unvorstellbare vorzustellen.

 

Über die realen Prepper in den amerikanischen Weststaaten lachen wir. Lachen über ihre Verschwörungstheorien und ihre Weltangst. Aber vielleicht übersehen wir dabei einen menschlichen Kern, der dem Preppen zu eigen ist. Vielleicht geht es gar nicht so sehr um das wirkliche Überleben, den wirklichen Atomkrieg, die wirkliche Dystopie. Vielleicht ist das Schöne am Preppen nicht die Realität, sondern die Fiktion. Das sich vorbereiten auf das Mögliche bis an die Grenze des Vorstellbaren. All diese erwachsenen Menschen, die kiloweise Reis, Konservendosen und Kalaschnikows in ihren Kellern stapeln, dürfen sich in den unendlichen Weiten der Imagination verlieren. Es ist ein immersives Rollenspiel. Preppen heißt, sich in ein hyperrealistisches Computerspiel zu begeben. Preppen heißt, sich verlieren in den Weiten der Möglichkeit. Träumen, Ausmalen, Eintauchen, Kind sein. Um mit Schiller zu enden: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“

 

Für Bill in The Last of Us endete das Preppen damit, dass er sich selbst und die Liebe seines Lebens findet. Das ist aber nur Fiktion. Dem wirklichen Computerspiel, auf dem die Serie basiert, ist diese romantische Episode hinzugedichtet.